Vorhabenbezogener Bebauungsplan "Bodan-Hotel"

Stellungnahme
Stellungnahme zum Entwurf eines (weiteren) Bebauungsplanes für das Hotel „Bodan“
Datum
30.04.2020

1. Vorbemerkung

Der BUND hielt und hält immer noch die Bebauung des ehemaligen Bodanareals mit Wohnungen und – wie jetzt geplant – mit einem Hotel im westlichen Bereich für einen schwerwiegenden Fehler. Nicht nur wurde hier vor allem seitens der Gemeindeverwaltung in vorauseilendem Gehorsam gegenüber einem privaten Investor eine große Chance vertan das Bodenseeufer zu renaturieren und zumindest in Teilen an die Bevölkerung zurück zu geben. Es wurde auch in rechtlich höchst fragwürdiger Weise seitens des Landratsamtes an Schutzverordnungen „herumgebastelt“, so dass ein seit den 1940-iger Jahren bestehendes Landschaftsschutzgebiet scheibchenweise, zuerst faktisch und dann auch ordnungsrechtlich, in ein Gewerbegebiet umgewandelt wurde. Der Regionalverband ist sich nicht zu schade, diese Praxis zu sanktionieren, da nach den Worten seines Verbandspräsidenten keine Unterlagen auffindbar waren, die den Vorrang des Landschaftsschutzgebietes bewiesen hätten.

Nur durch die seinerzeitigen Proteste der Bevölkerung wurde die Wohnbebauung reduziert und eine Promenade auf öffentlichem Gelände ermöglicht. Der Denkmalschutz tat ein Übriges, so dass jetzt in der Mitte des Geländes öffentliche Gebäude restauriert werden und für eine öffentlichen Nutzung nutzbar gemacht werden können. Ein offenbar „schlechtes Gewissen“ veranlasste die Gemeindeverwaltung seinerzeit den Bebauungsplan für das gesamte Gelände in zwei Teile aufzuspalten und anders als im Osten, im westlichen Teil eine „touristische Nutzung“ vorzusehen. Man glaubte, so die Aufhebung der diversen Schutzverordnungen erfolgreich durch die Instanzen bringen zu können und für den Ostteil rasch Baurecht zu erlangen.

Diese „touristische Nutzung“ mündete schnell – vor dem Hintergrund eines auf Gewinnmaximierung ausgerichteten Grundeigentümers und Investors - in den Entwurf eines Hotels. Dass Hotel nicht gleich Hotel ist zeigte sich an den diversen Entwürfen für eine Hotelnutzung. Offensichtlich ist des trotz wohlgesonnener Behörden an dieser sensiblen Stelle des Bodenseeufers nicht ganz trivial, eine profitversprechende Nutzung für Pächter und Investor zu konzipieren. 
Der BUND ist nach wie vor gegen einen Hotelbau an dieser Stelle.

Der BUND wird sich daher nicht an einer Kritik einzelner Aspekte des vorliegenden Bebauungsplanes beteiligen, sondern im Folgenden die grundsätzlichen Ablehnungsgründe noch einmal erläutern.

2. Planungsrechtliche Überlegungen – Schutzwirkungen

Landschaftsschutzgebiet. Die Bebauung liegt vollständig im gültigen Landschaftsschutzgebiet. Eine Aufhebung desselben durch das Landratsamt – mit welchen Argumenten auch immer – hätte eine fatale Signalwirkung auf andere Schutzgebiete entlang des Bodenseeufers, nämlich: Die Wirkung eines Landschaftsschutzgebietes geht gegen Null. Sie kann durch faktische Zerstörung des Gebietes durch allmähliche gewerbliche Nutzung und eine anschließende Umwandlung in Baurecht erfolgreich ausgehebelt werden.

Grünzug. Die geplante Bebauung liegt im Grünzug der Regionalplanung. Eine angestrebte Aufhebung durch den Regionalverband kann nicht durch „Zugaben“ an anderen, uferfernen Gegenden der Region ausgeglichen werden.
FFH-Gebiet: Die geplante Bebauung liegt auch innerhalb eines FFH-Gebietes, das keine Bebauung zulässt, sollen nicht die darin lebenden Arten gefährdet werden.

Biotop. Die geplante Zufahrt zum Hotelkomplex kann nur realisiert werden, wenn das geschützte Biotop nach Bundesnaturschutzgesetz am Nonnenbach beschädigt und nachhaltig verkleinert wird. Schon in der Vergangenheit wurden durch Rodungsaktionen durchgeführt – vermutlich vom Grundstückseigentümer veranlasst – die nach unserer Einschätzung nicht zulässig waren. Eine weitere Beeinträchtigung bzw. Zerscheidnung dieses Biotops ist nicht hinnehmbar. Die Effektivität des Biotops wäre nicht mehr vorhanden. Eine Befreiung, wie im Schreiben des Büro Siebers erwähnt, darf von den zuständigen Behörden nicht gegeben werden. Vielmehr ist durch sie auf eine vollständige Wiederherstellung dieses Biotops zu bestehen.

Eine Aufstellung des Bebauungsplanes im beschleunigten Verfahren darf wegen der vielfältigen Schutzwirkungen und der beabsichtigten Schädigung eines Biotops nicht angewendet werden. Die geplanten Aufhebungen der Schutzwirkungen sind nicht konform mit der Rahmengesetzgebung. Es ist schlichtweg falsch und irreführend zu behaupten, dass die Umsetzung der Maßnahme „voraussichtlich keine erheblichen Umweltauswirkungen hat,….die in der Abwägung zu berücksichtigen wären“. Dort wo die Umweltauswirkungen in verschlechternder Weise bereits eingetreten sind, müssen Wiederherstellungsmaßnahmen ergriffen werden.

3. Hochwasserschutz

Das gesamte Gelände liegt lt. Hochwassergefahrenkarte des Landes Baden-Württemberg von 2015 im Gefahrengebiet HQ 100. Lt. § 78 Wasserhaushaltsgesetz des Landes sind Baumaßnahmen in Überschwemmungsgebieten grundsätzlich unzulässig. Risikoerhöhend kommt hinzu, dass das Baugebiet im Norden vom Nonnenbach abgegrenzt wird. Dessen spezifischer Verlauf aus dem Ortskern heraus kann die Hochwassergefahr bei einer entsprechenden Wetterlage zusätzlich erhöhen, da Vorsorgemaßnahmen im Ortskern nach unserem Wissenstand nicht geplant sind. Dies würde bedeuten, dass die vom Land geforderten Maßnahmen zum Schutz und zur Risikominimierung gegen Hochwasser und im Katastrophenfall bis heute nicht erfüllt worden sind.

Der BUND fordert auch aus Gründen des Hochwasserschutzes - auch für die angrenzenden Wohngebiete - das infrage stehende Gelände von Bebauung freizuhalten.

4. Artenschutz

Im Jahr 2015 wurde zuletzt ein artenschutzrechtliches Gutachten durch das Büro Sieber erstellt (16. 2. 20126). Im Jahr 2017 gab es Nachkartierungen. Dieses Gutachten soll jetzt überarbeitet und ergänzt werden. Fazit dieses Gutachtens war, dass „bei Umsetzung der Maßnahmen… von keiner erheblichen Verschlechterung des Erhaltungszustandes der lokalen Population europäischer Vogelarten gemäß §44 Abs. 1 Nrn. 1 bis3 in V. m. Abs. 5 BNatSchG auszugehen“ ist. Als Maßnahmen wurden im Rahmen der Abriß- und Bauarbeiten „Vermeidungsmaßnahmen im Hinblick auf Bauzeitenregelungen“ aus ausreichend angesehen.

BUND und NABU hatten schon damals gegen dieses Gutachten große Vorbehalte und hatten die Ergebnisse angezweifelt. Diese kamen möglicherweise nach dem Prinzip zustande, wenn man nicht richtig schaut, findet man auch wenig. Eigene, fachmännische Untersuchungen in den Jahren 2016 bis 2018 förderten zutage, dass auf dem Gelände allein 45 Brutvogelarten, darunter einige streng geschützte Arten, vorkamen. Auch die Trennschärfe zwischen Brutvogelarten und durchziehenden Nahrungsgästen erscheint uns dringend verbesserungsbedürftig. So wird z. B. unter Pkt. 5.19.1 die Aussage gemacht, dass Haubentaucher, Höckerschwan, Rabenkrähe und Stockente „nur“ Nahrungsgäste sind. Nach unseren Beobachtungen ist dies falsch; sie sind Brutvögel! Es ist u. E. auch nicht statthaft, Nahrungsgäste wenn diese im Umfeld brüten, als „Durchzügler“ darzustellen (z. B: Flussseeschwalbe, Gänsesäger). Auch für Fledermäuse ist das Gebiet hoch bedeutsam, da es im unmittelbaren Umfeld mehrere Wochenstubenvorkommen (Abendsegler) gibt.

Wir sind gegen das Bauvorhaben, da das Gelände trotz des jahrelangen Mißbrauchs als Lagerplatz für Baumaterialen u. ä. streng geschützte Arten beherbergt. Wird die geplante Baumaßnahme trotzdem durchgeführt, so dürfte dies einem Verstoß gegen artschutzrechtliche Bestimmungen gleichkommen.

5. Bauleitplanung in Zeiten von Corona

In diesen Tagen kommt niemand darum herum, eine Verbindung zwischen der aktuellen Corona-Pandemie und dem vorherrschenden Naturverständnis – nicht nur in dem Gemeindegremien - herzustellen. Sars-CoV-2 (Covid-19) ist inzwischen das siebte und mit Abstand gefährlichste Coronavirus, dass sich – von der Tierwelt ausgehend – den Menschen als Wirt „ausgesucht“ hat. Es gibt keinen vernünftigen Grund anzunehmen, dass es das letzte gewesen sein wird. Unter aufgeklärten Wissenschaftlern setzt sich die Erkenntnis durch, dass das Problem nicht die Wildtiere sind, sondern die Menschen, die die Lebensräume der Arten immer weiter verändern und eindämmen. Wir bauen die Natur für unsere Zwecke um und rauben den Arten den Lebensraum. Viele Arten verkraften das nicht, suchen sich neue Lebensräume näher bei den Menschen oder stehen kurz vor dem Aussterben (siehe hierzu beispielhaft die alarmierenden Berichte über die Reduzierung von Insekten- und Vogelbeständen im Bodenseeraum). Die überlebenden Arten „drängen“ sich in den übrig gebliebenen Lebensräumen und stellen sich immer besser auf den Menschen ein. Auf diese Weise werden für Menschen gefährliche Krankheitserreger viel eher übertragen. 
Die Menschen reagieren empört auf die Zerstörung des Regenwaldes für Soja, Rinderzucht und Palmöl in weit entfernten Gegenden. Aber gehen wir nicht mit den uns zur Verfügung stehenden Freiräumen genauso bedenkenlos um? Wenn wir weiter davor die Augen verschließen, dass durch unseren Landverbrauch und die Zerstörung von Biodiversität die Natur aus dem Gleichgewicht kommt, so bringen wir uns alle selbst in Gefahr. Die Wahrscheinlichkeit von Infektionen für uns Menschen steigt und wird durch Bevölkerungsdichte und Globalisierung zusätzlich befeuert. 
Vor diesem Hintergrund ist die Anlage eines interkommunalen Gewerbegebietes, die Umwandlung von artenreichen Wiesen in Parkplätze und die Bebauung eines Seegrundstückes mit einem Hotel eben nicht alternativlos, sondern kurzsichtig und falsch. Diese Maßnahmen sind nicht im Interesse des Wohls der Kressbronner BürgerInnen und zukünftiger Generationen.

Dass eine ganze nationale Wirtschaft vorübergehend gegen Null reduziert werden kann, wenn die Gefahr unmittelbar bedrohlich ist, wissen wir seit einigen Wochen. Wir wissen jetzt auch, dass eine solche Strategie in unserem Land möglich und beherrschbar ist. Leider sind die für den Klima- und Artenschutz notwendige Maßnahmen, die nur im Ansatz denen der Corona-Pandemie gleichen würden, immer wieder mit dem Hinweis auf wirtschaftliche Zwänge abgelehnt worden. Vor den Gefahren, da diese nur schleichend eintreten, werden die Augen verschlossen und die politische Verantwortung wird hin und her geschoben. 

6. Touristische Notwendigkeit aus Sicht der Kressbronner Bevölkerung?

Die Forderung nach einem Hotelbau an diesem Standort wird aus den Ergebnissen des sogenannten „Tourismuskonzepts“ abgeleitet.  Dabei wird der Tatsache überhaupt nicht Rechnung getragen, dass jetzt schon die touristische Belastung im Sommer die Grenzen der ökologischen Belastbarkeit im ufernahen Bereich deutlich überschreitet. Somit sind jetzt schon die raumplanerischen Grundsätze zum Schutz des Bodenseeufers samt angrenzendem Hinterland in hohem Maß gefährdet. Darüber hinaus wird der Bedarf nach solchen Hotels einfach in den Raum gestellt, ohne für einen solchen Bedarf wirklich stichhaltige Belege abgeben zu können. Richtig ist, dass derzeit die Übernachtungsmöglichkeiten der Gemeinde im Bereich der Ferienwohnungen und kleineren Hotels überwiegen. Dabei liegt die Bettenauslastung ganzjährig unter 70 %.

7. Zusammenfassung und Fazit

a) Nichtbebauung von Bodan-West bedeutet Win-Win Konstellation für Bürger, Gemeinde und Natur.  
Aus Sicht des BUND resultiert aus der angestrebten Nicht-Bebauung ein großer Beitrag zum Erhalt und Wiederherstellung der Bodensee-Landschaft auf Kressbronner Gemarkung. Damit würden sich für Gemeinde und Bürger klare Vorteile gegenüber der geplanten Nutzung des Areals für einen Hotelbau ergeben, die ja auch zwangsläufig mit der Aufgabe der bestehenden Schutzvorgaben verbunden wäre (FFH, LSG, Grünzug, Biotop). Die Gemeinde könnte erhebliche Kosten ersparen, die sie ansonsten für die Erschließung des Areals aufwenden müsste und das Areal würde aus touristischer Sicht eine erhebliche Aufwertung erfahren. Dies gilt umso mehr, als der geplante Uferweg von Osten her fortgeführt werden könnte. Diese käme zweifellos allen Bürgern zugute, denen umgekehrt im Fall einer Nutzung als Hotelfläche mit Sicherheit der Zugang zum See an dieser Stelle verwehrt bliebe.

b) Planungsrecht: Der BUND ist der Meinung, dass die beabsichtigte Aufhebung der Schutzwirkungen eine bedenkliche Dehnung und Aufweichung geltender Vorschriften und der Regionalplanungen darstellt.

c) Effektiver Klima- und Artenschutz erfordert klare Schutzmaßnahmen und keine Ausnahmeregelungen, die diesen aushöhlen und umgehen. Im Zuge der bisher erfolgten Umgestaltung des Bodan-Areals sind die Belange des Natur- und Umweltschutzes fast durchgängig zu Gunsten anderer – privater - Belange geopfert wurden. Demgegenüber wäre mit der Nichtbebauung endlich ein wirklich zählbarer Beitrag für den Naturschutz geschaffen. Nach einem Urteil des VGH Baden Württemberg vom 24.5.2006 sind „die einzelnen Ziele der Raumordnung für den Bodenseeraum untereinander gleichwertig. und soweit wie möglich zu harmonisieren und zu einem Ausgleich zu bringen.“  Nur durch die Nichtbebauung kann die geforderte Harmonisierung der einzelnen Ziele der Raumordnung eingelöst werden, da erst dann die Interessen von Gemeinde, Bürgern, Investor und Naturschutz wirklich ausgewogen berücksichtigt werden. Wenn wir die Ziele des Klima- und Artenschutzes nicht endlich umsetzen und immer wieder privatwirtschaftlichen Interessen – auch wenn sie uns ökologisch nett verpackt gegenübertreten – den Vorrang geben, werden wir die Herausforderung der nächsten Jahrzehnte nicht meistern. Diese Herausforderungen werden für alle Menschen existenziell werden.

d) Eine Hotelbebauung bringt mehr Verkehr und Unruhe ans Ufer. Jetzt schon ist das Kressbronner Bodenseeufer ein touristischer hotspot: Baden, Picknicken, Feiern Fahrradfahren, Wandern. Um weiteren Druck von der Naturnutzung an dieser sensiblen Schnittstelle von Land und Wasser zu nehmen, muss das Gelände renaturiert werden. 

e) Kleinklima nicht verschlechtern. Eine Freihaltung der Fläche würde sich positiv auf das Kleinklima an dieser Stelle auswirken. Eine Bebauung wie immer sie im Detail aussehen mag, trägt maßgeblich dazu bei, dass der Luftaustausch zwischen Ufer und unmittelbarem Hinterland gestört ist.

f) Corona-Gefahren erfordern Umdenken. Selbst „vor Corona“ war in unserer Gemeinde effektiver Klima- und Artenschutz höchstens verbal hoch angesiedelt, nicht jedoch in den tatsächlichen Maßnahmen. Die Zeit „nach Corona“ muß – wenn es sie überhaupt geben wird – gekennzeichnet sein von nachhaltigen Strategien auf kommunaler Ebene. Dazu gehört eben nicht die Bebauung eines Seegrundstückes mit einem Hotel für auswärtige Gäste. Die Gemeindeverwaltung muss dies verhindern. Die Gefahrenlage für uns alle hat sich deutlich verändert, so dass auch vordergründig kostspielige Maßnahmen zum Wohle der Bevölkerung gerechtfertigt sind.

BUND Ortsverband Kressbronn, 30. April 2020
Gisela Rinné, Dr. Hans Güde, Sue C. Medford, Hubert M. Schuh