(in Antwort auf das Anschreiben von Sieber Consult GmbH vom 30.6.2021)
Allgemeine Vorbemerkung
Sowohl BUND Regionalverband Bodensee-Oberschwaben als auch der BUND Ortsverband Kressbronn haben sich schon bisher klar und ausdrücklich gegen jede Bebauung (zuletzt Stellungnahme zum vorgezogenen Bebauungsplan vom 20.4.2020) und die hierfür behördlicherseits in die Wege geleiteten Begleitmaßnahmen wie Teilaufhebung des LSG (Schreiben an das LRA Bodenseekreis vom 18.5.2021 ) und Änderung des Grünzugs (Schreiben des LNV vom7.11.2019) auf dem Areal Bodan-West ausgesprochen. Die hierfür vorgebrachten wichtigsten Argumente werden im folgenden Abschnitt nochmals zusammengefasst. Der nun vorgelegte Bebauungsplan entkräftet keine der vorgebrachten Einwendungen und es gibt daher für uns keinen Grund, unsere Einschätzung zu ändern. Vielmehr bestätigt die vorgelegte Planung aufs Neue unseren schon zuvor anlässlich unserer Stellungnahme zur Fortschreibung des Flächennutzungsplans in der Fassung vom 16.9.2016 vorgebrachten Eindruck: „Somit stehen also die Belange des Natur- und Umweltschutzes weitgehend nur noch auf dem Papier, da sie im Ernstfall fast durchgängig zu Gunsten anderer Belange „weggewogen“ werden. „Zusammenfassung der bisher vorgebrachten Argumente zur Ablehnung (aus: BUND Stellungnahme zum vorgezogenen Bebauungsplan vom 20.4.2020, weitere BUND Stellungnahmen bei Einzelpunkten genannt)
- Rechtsgrundlagen für ökologische Degradierung des Areals sind nicht gegeben. Ausweisung als Gewerbegebiet ist nicht kompatibel mit Landschaftsschutzgesetzt und Grünzug (siehe auch Stellungnahme LNV zur Regionalplanung vom 7.11.2019)
- Aufhebung der Schutzwirkungen (Landschaftsschutzgebiet, Grünzug, Biotop, siehe auch BUND Stellungnahme zum Antrag auf Teilaufhebung des LSG vom 23.6.2020) bedeuten eine bedenkliche Aufweichung der Vorgaben der Regionalplanung
- FFH-Gebiet Schutzaspekte sind nicht zureichend gewürdigt
- Artenschutzaspekte sind ebenfalls unzureichend gewürdigt
- Freihaltung des Areals ist auch aus Gründen des Hochwasserschutzes geboten
- Die touristische Notwendigkeit des Hotelbaus wird bezweifelt (siehe auch Stellungnahme des BUND Ortsverbandes Kressbronn zur Fortschreibung des Flächennutzungsplans in der Fassung vom 16.9.2016)
- Corona-Pandemie erfordert Umdenken in der Bauleitplanung
Zur vorgelegten Bauplanung
Es fällt zunächst auf, dass nicht mehr – wie vorangehend am 30.3.2020 – das Instrument eines „vorhabenbezogenen Bebauungsplans“ (VBP) verwendet wird, sondern
nun ein „qualifizierter Bebauungsplan nach § 30 Abs. 1 BauGB“ vorgelegt wird. Darin wird also nicht ein konkretes Vorhaben, sondern nur die Zulässigkeit von Vorhaben auf dem Planungsgebiet geregelt. Das Büro Sieber begründet dieses Vorgehen damit, dass es „derzeit keinen konkreten Vorhabensträger gibt“. Für uns legt das die Vermutung nahe, dass die ursprüngliche Idee des Hotelbaus durch den bei der Umsetzung von Bodan-Wohnen tätigen Investor (Schmeh) in Frage gestellt ist. Ganz langsam könnte sich doch auch bei Gemeindeverwaltung und der Mehrheit des Gemeinderates die Ansicht durchsetzen, dass nach dem jahrelangen Hin- und Her mit Entwürfen und möglichen Pächtern des Hotels dieses Vorhaben bei Investoren und Pächtern offenbar nicht als „Schnäppchen“ gilt. Es könnte sich auch die Ansicht durchsetzen, dass ein Verzicht auf die möglichen Gewerbesteuereinnahmen aus dem Hotelbetrieb bei weitem aufgewogen werden könnten, wenn eine für den Tourismus attraktive Freifläche entstehen würde. (Siehe dazu auch das Beispiel Nonnenhorn). Eine „Gewerbebrache“ ist keinesfalls die unausweichliche Konsequenz!
Darüber hinaus ergeben sich aber für uns weitere Einzel-Aspekte im Zusammenhang der nun vorgelegten Bauplanung:
- Die Ausweisung eines Sondergebietes (Hotel) als „natürliche Fortentwicklung“ des im FNP ausgewiesenen Restgebietes „gewerbliche Nutzung“ erscheint als rechtlich fragwürdiges Vorgehen. Die hierzu u.a. in Abschnitt 7.2.3.8 gegebene Erläuterung mutet geradezu als baurechtlicher Eiertanz mit Argumenten aus der Trickkiste von Winkeladvokaten an, um einen ansonsten unerlässlichen Antrag auf Änderung des Flächennutzungsplans umgehen zu können. Laut geltendem Flächennutzungsplan war das gesamte Areal der Bodan-Werft als Gewerbegebiet ausgewiesen (was jedoch mit Landschaftsschutzgebiet und vor allem mit dem bestehenden Grünzug unvereinbar war und ist). Indem auch in den jüngsten Versionen der immer noch laufenden Fortschreibung des Flächennutzungsplans dieses kleine Reststück weiterhin als Gewerbegebiet ausgewiesen wird, täuscht die Gemeinde vor, dass dort -entgegen ihrer erklärten Absicht – weiterhin eine gewerbliche Nutzung vorgesehen ist und begründet darauf den Bestandsschutz. Nach Auffassung des RP Tübingen geht jedoch mit Aufgabe der Werftnutzung jeder Bestandsschutz verloren und es hätte demzufolge für die gesamte Fläche des Bodan-Areals eine Neuplanung vorgelegt werden müssen. Schon in der Stellungnahme zum VBP Bodan-Ost (2012) hat der BUND Ortsverband deshalb auch die Abtrennung der Areale Ost und West als rechtlich fragwürdige Stückelung bezeichnet. Mit dieser „Strategie“ sollte offensichtlich ermöglicht werden die Bauplanung des Hotels nahtlos realisieren zu können, sobald die Änderung von LSG und Grünzug vollzogen werden. Hierfür spricht u.a. die Stellungnahme des Regional Verbandes Bodensee-Oberschwaben zur Grünzugsänderung vom 6.11.2018: „Da eine gewerbliche bauliche Nutzung dieser Fläche nicht mit den Zielen der Regionalen Grünzüge vereinbar ist, folgt die Herausnahme dieses Bereichs aus dem Regionalen Grünzug der aktuellen Rechtssituation. Sie bestimmt jedoch nicht die spätere Nutzung des Gebiets.“ Demgegenüber ergibt sich nach unserer Auffassung zwingend, dass die Ausweisung als Gewerbegebiet im Bereich des Areals Bodan-West nicht rechtskonform war. Nach dieser Sachlage hätte an dieser Stelle nicht das Landschaftsschutzgebiet und der Grünzug, sondern das Gewerbegebiet aufgehoben werden müssen!
- Die Planung geht davon aus, dass kein Zweifel daran besteht, dass die beplante Fläche baurechtlich zum Innenbereich zu zählen ist. Demgegenüber ist nach unserer Auffassung die Frage Innen- und Außenbereichsabgrenzung keineswegs abschließend geklärt. Wir haben deshalb am 18.05.2021 eine entsprechende Anfrage an das Baurechtsamt gerichtet, die jedoch am 10.06.2021 nur ausweichend beantwortet wurde. Die jüngste Entscheidung des Verwaltungsgerichts Sigmaringen zu einem Hotelbauprojekt ähnlicher Größenordnung in Fischbach unterstreicht den hohen Stellenwert der Abgrenzung für die Umsetzung von Bauvorhaben. Wir halten es nach wie vor für unstrittig, dass das Areal Bodan-West zum Außenbereich gezählt werden muss und die Zuordnung zum Innenbereich mutwillig bzw. in vorauseilendem Gehorsam durch das örtliche Baurechtsamt erfolgt ist. Doch selbst wenn man der Argumentation des Baurechtsamts folgen würde, ergibt die vorgelegte Bauplanung im Abschnitt 8.2.4.1 - ungewollt - einen klaren Hinweis dafür, dass die West-Grenze des Innenbereichs anders als im Schreiben des Baurechtsamts vom 10.6.2021 dargestellt werden muss: Laut Auskunft des Baurechtsamts ist die Grenze des Innenbereichs, mit dem letzten Gebäude gegeben, welches den „im Zusammenhang bebauten Ortsteil darstellt“. Dieses ist laut Baurechtsamt der offene Schuppen an der Grenze zum Schwimmbad (Gebäude Nr. 21). In der vorgelegten Bauplanung wird nun „vermutet“, dass eine Genehmigung für dieses Gebäude vorliegt. Da dies aber überhaupt nicht belegt werden kann, wird argumentiert, dass dennoch Bestandschutz bestehe, da sich „die zuständige Behörde mit ihrem Vorhandensein abgefunden hat“ (!!). Wenn dieses Vorgehen Schule macht, sind damit die Grenzen der Rechtsstaatlichkeit deutlich markiert und dem weiteren nicht gesetzeskonformen Vorgehen von Behörden und Bauträgern Tür und Tor geöffnet. Das können wir keinesfalls so stehen lassen und wir werden in geeigneter Weise vorgesetzte Behörden und vor allem die Öffentlichkeit informieren. Ein illegal errichtetes Gebäude kann niemals die Grenze zum Außenbereich darstellen! Wenn also nach dieser Sachlage dieses Gebäude (wie auch andere illegal errichtete Gebäude auf dem Werft Areal) keine Rechtsgrundlage für die Abgrenzung zwischen Innen- und Außenbereich darstellen kann, folgt zwingend, dass nur das legal errichtete westlichste Gebäude im Bereich von Bodan-Wohnen die westliche Grenze des im Zusammenhang bebauten Ortsteils und damit des Innenbereichs darstellen kann. Mithin liegt – auch nach den Maßstäben des Baurechtsamts - das gesamte Planungsareal im Außenbereich!
- Die FFH Prüfung berücksichtigt die Auswirkungen auf das Gesamtgebiet unzureichend. Das Büro Sieber hebt korrekterweise im Zusammenhang mit dem Bau von Verkehrswegen die „Barriere- oder Fallenwirkung/ Individuenverlust“ hervor. Diese haben eine erhebliche negative Auswirkung auf den Amphibienbestand (FFH Verträglichkeitsprüfung zum Bebauungsplan "Bodan Werft - Bereich Hotel", S.76). Das Büro kommt im Fazit (S.77) zur Einschätzung, dass die Zufahrt zum Bodanhotel die Wanderung der Gelbbauchunke entlang des Fließgewässers behindern könnte. Eine negative Beeinträchtigung der Art kann nicht ausgeschlossen werden. Das Gleiche gilt auch für den Gewässerlebensraum der Groppe und anderen Tier-/Pflanzenarten. Ein höchst problematischer Punkt in der Abschätzung des Büros Sieber ist weiterhin, dass sich die kumulative Bewertung der negativen Einflüsse des Hotelprojekts mit anderen Planungen im Umfeld auf die FFH-Vorprüfung zum Bebauungsplan "Parkplatz beim Strandbad" des Büros Meinxner stützt! Auf S.86 (Kapitel 7 Summationswirkungen im Zusammenwirken mit anderen Plänen und Projekten) wird eine Beeinträchtigung durch diese benachbarten Projekte ausgeschlossen und als Begründung die Arbeit des Büros Meixner angeführt. Wie wir in unserer Stellungnahme zum Strandbadparkplatz begründet haben, sind diese Unterlagen nach unserer Meinung fachlich falsch, lückenhaft und kommen zu einer falschen Einschätzung der Gefährdung streng und besonders geschützter Arten. Das Büro Sieber stützt also seine abschließende Bewertung der FFH-Vorprüfung für das Bodanhotel auf diese unzureichenden Planungsdokumente (!!!). Auch wenn nun keine vorhabenbezogene Bauplanung mehr verfolgt wird, ist wohl unzweifelhaft, dass nach wie vor der Bau eines Hotels mit über 100 Betten ins Auge gefasst wird. Es sei deshalb auch darauf hingewiesen, dass dies nach dem UVP-Gesetz, Anhang 1, Punkt 18.1.2 ein Vorhaben darstellt, das eine allgemeine Vorprüfung des Einzelfalls benötigt. Eine solche liegt nach unserer Kenntnis bislang nicht vor.
- Auch das neu vorgelegte Artenschutzgutachten bewertet die Gefährdung einzelner streng geschützter Arten unzureichend. Es erscheinen danach die von uns aber auch in der Stellungnahme des RP Tübingen vom 29.5.2020 vorgebrachten Einwände keinesfalls ausgeräumt. Dies kommt auch in der Stellungnahme des NABU Ortsvereins Langenargen e.V. zur hier vorgelegten Bauplanung klar zum Ausdruck
- Die Erhaltung des Biotops und die Biotopvernetzung mit der angrenzenden Nonnenbachaue werden auch trotz der vorgeschlagenen Maßnahmen mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht erreicht. Mit der vorgezogenen Bebauungsplanung vom 31.3.2020, die bezüglich der Auswirkungen auf das Biotop gegenüber der jetzt vorgelegten Planung unverändert ist, ist für uns unzweifelhaft, dass der Vernetzungseffekt mit der geplanten Hotelbebauung , u.a. durch Beeinträchtigung und Zerstörung zweier für die Vernetzung zentral wichtiger Biotope verloren geht. Obwohl große Teile des Areals in der Tat schon durch die schon beschriebene Entwicklung sukzessive entwertet wurden, blieb die Vernetzungsfunktion bislang gerade im nördlichen Bereich noch weitgehend erhalten. Demgegenüber würde diese durch die geplante Hotelbebauung mit großer Wahrscheinlichkeit endgültig verloren gehen.
- Angesichts der jüngsten Hochwasserereignisse erscheint es zwingend erforderlich, die Risiken von Bauvorhaben in hochwassergefährdeten Flächen noch eingehender zu berücksichtigen. Alle hierzu maßgeblichen Gesichtspunkte wurden in der Stellungnahme des RP Tübingen vom 29.5.2020 ausführlich dargestellt. Von einer Bebauung in diesem Areal muss demnach abgesehen werden. Wir verweisen in diesem Zusammenhang auch auf die ausführlichen Begründungen in der Stellungnahme des NABU Langenargen e.V. zur hier vorgelegten Bauplanung
- Entgegen den an mehreren Stellen der Bauplanung betonten Befürchtungen droht bei Nichtdurchführung des Vorhabens keine Gewerbebrache. Abgesehen davon, dass schon der jetzige Zustand nicht mehr dem Bild einer Gewerbebrache entspricht, muss auf das Beispiel der Nachbargemeinde Nonnenhorn hingewiesen werden, die durch ersatzlosen Abriss eines Gästehauses auf einem hochattraktiven Seeanliegergrundstück unmissverständlich Vorrang für seenahe Freihalteflächen gegeben hat. Auch in Kressbronn könnte bei Nichtbebauung der Planungsfläche die Vorgabe der touristischen Nutzung durch eine naturnah gestaltete Freihaltefläche sogar besser als mit einem Hotelbau eingehalten werden.
Fazit
Die mit der Bauplanung vorgelegte Nutzung des westlichen Areals der ehemaligen Bodan Werft für die Errichtung eines Hotels wird von uns grundsätzlich abgelehnt. In Übereinstimmung mit der Stellungnahme des NABU Ortsvereins Langenargen e.V. halten wir nicht nur baurechtlich die Grundlagen für fragwürdig, sondern sehen auch eine Unvereinbarkeit mit den Vorgaben der Raumordnung, der Landesplanung, des Bodenseeuferplans, des FFH Schutzgebiets, des Naturschutzgesetzes und des Hochwasserschutzes. Darüber hinaus wird die Umsetzung der von der Gemeinde befürworteten touristischen Nutzung des Areals alternativlos mit der Errichtung eines Hotelbaus gleichgesetzt. Dessen Notwendigkeit kann jedoch ernsthaft hinterfragt werden, jedenfalls kann sie kaum aus einem fachlich fragwürdigen Auftragsgutachten („Tourismuskonzept“) abgeleitet werden.
Eine touristische Nutzung wird demgegenüber auch bei Nichtbebauung - beispielsweise Entwicklung als naturnaher Uferpark - durchaus ermöglicht. Im Einklang mit dem BUND Regionalverband (siehe LNV Stellungnahme zur Fortschreibung des Regionalplans vom 25.2.2021) setzen wir uns mit Nachdruck für diese Option ein. Sie bietet die einmalige Chance einer Win-Win Situation für Gemeinde, Bürger, Touristen, Naturschutz (und vielleicht sogar für einen potentiellen Hotelbau-Investor wegen Vermeidung eines finanziellen Risikos). So könnte das Kapitel Folge-Nutzung des Bodan Werft Geländes nach über einem Jahrzehnt endlich, und dabei sogar zu einem alle zufrieden stellenden versöhnlichen Abschluss gebracht werden.
Kressbronn, den 6. August 2021
BUND Ortsverband Kressbronn (Vorstand)
Hans Güde, gez. Sue Medford, gez. Max Hubert Schuh